Tour de France: Warum Hobbysportler besser rollen als die Profis

Tour de France: Warum Hobbysportler besser rollen als die Profis

(Bildquelle: www.haibike.de / pd-f / Stratmann)

Das Peloton der Frankreich-Rundfahrt ist zum einen ein Schaufenster technischer Innovation, zum anderen jedoch strikten Regularien und bisweilen starren Traditionen unterworfen, die längst von der Realität überholt wurden: Das zeigt sich etwa bei Laufrädern und Bremsen. Der pressedienst-fahrrad beleuchtet, wo die Profis aktuell die Nase vorn haben, aber auch, welche Freiheiten und Möglichkeiten ihnen entgehen.

[pd-f/ht] Wenn die 200 schnellsten Radfahrer der Welt im Juli durch Frankreich jagen, steht immer auch das Material im Fokus. Rahmen, Schaltungen, Komponenten – alles wird von Zuschauern und Experten genau „gescannt“. Mindestens ebenso viel beachtet wie die besagten Bauteile werden die in den vergangenen Jahren immer auffälliger gewordenen Laufräder.

Schnittig durch den Wind

„Die klassische flache Felge ist aus der Mode gekommen“, urteilt Radsportkenner Stefan Scheitz, Geschäftsführer der Firma Sport Import, die unter anderem für den Leistungssport konzipierte Laufräder von Enve und Zipp vertreibt. „Abgesehen von manchen Bergetappen sind inzwischen alle Radprofis mit aerodynamischen Hochprofilfelgen unterwegs.“ Deren Hauptmerkmal ist das V-förmige, weiter zur Laufradmitte hin gezogene Profil. Statt nur auf gut zwei Zentimeter wie bei einer herkömmlichen Felge, bringen es Aero-Felgen für den Allround-Einsatz auf stattliche fünf bis sechs Zentimeter Profilhöhe.
Ein gut konstruierter Laufradsatz dieser Bauart bringt eine deutliche Leistungsersparnis. „Bei Tempo 45 ist der Unterschied sicher mit 15 bis 20 Watt zu beziffern“, erklärt der Kölner Sportwissenschaftler Sebastian Weber. Dies würde einer Einsparung von gut fünf Prozent entsprechen. Doch schon bei geringeren Geschwindigkeiten sei das Sparpotenzial groß, führt Weber aus, was Aero-Laufräder für ambitionierte Breitensportler durchaus interessant macht. Allerdings gibt es Gründe, warum Hobbyfahrer sich gar nicht so sehr am Material der Profis orientieren sollten – denn manchmal sind sie ihnen gegenüber sogar im Vorteil.

Besser fahren als die Profis

Bei lizenzierten Straßenradrennen sind derzeit (noch) ausschließlich Felgenbremsen zugelassen. Freizeitfahrer können dagegen auf mit Scheibenbremsen kompatible Laufradsätze wie das Modell „58 Twenty Four Carbon Clincher“ von Profile Design (1.999,95 Euro) oder Ritcheys „WCS Zeta Disc“ (749 Euro) zurückgreifen. Das bringt nicht nur ein besseres Bremsverhalten, sondern verhindert insbesondere bei langen Abfahrten Felgen- oder Reifenschäden durch zu starke Reibungshitze. Zudem sind durch den Verzicht auf die Bremsflanken schon bei einer geringen Felgenhöhe aerodynamisch sehr günstige und stabile Profildesigns möglich.
Auch die Profis fahren längst keine superschmalen Reifen unter 20 Millimeter Breite mehr, sondern setzen auf den bei gleichem Druck geringeren Rollwiderstand breiterer Reifen. Ihr Plus an Komfort und das niedrigere Durchschlagrisiko sind hier zwar willkommen, aber lediglich Nebeneffekte. Im Profilager, wo selbst die geringsten Auswirkungen von rotierender Masse oder Luftwiderstand noch eine Rolle spielen, liegt aktuell meist bei 25 Millimetern Reifenbreite die Obergrenze. Für Hobbyfahrer dagegen sind noch breitere Reifen wegen der angesprochenen Vorteile mehr als nur eine Alternative. So hört die Ausfahrt mit Reifen ab 28 Millimetern aufwärts nicht länger dort auf, wo der Asphalt endet. Eine Situation, die der Profisportler außer in der „Hölle des Nordens“ – dem Radrennklassiker Paris-Roubaix – kaum je erleben wird, der Hobbysportler allerdings umso häufiger.

Schlauchlos statt Schlauchreifen

Eine Cyclocross-Felge wie die „ZTR Grail“ von Stan“s No Tubes (kompletter Laufradsatz 689 Euro) erschließt zudem nicht nur in der Breite andere Dimensionen und anspruchsvollere Terrains, sondern gleichzeitig eine weitere Neuerung: den Reifen ohne Schlauch.
So wie beim Alltagsrad der Draht- oder Faltreifen mit Schlauch, ist im Profiradsport noch immer der Schlauchreifen das Maß aller Dinge: Ein Latex-Schlauch wird in den Reifen eingenäht, anschließend wird dieser auf die Felge geklebt. Schlauchreifen sind wenig pannenanfällig und bieten gewisse Notlaufeigenschaften, weisen allerdings einen etwas höheren Rollwiderstand auf, wie Rennradexperte Caspar Gebel erklärt: „Vergleicht man Schlauch- und Faltreifen gleicher Bauart – sprich gleiche Gummimischung, gleiche Anzahl der Gewebelagen – in Tests auf einer Radrennbahn, weisen die Faltreifen einen um bis zu vier Watt geringeren Rollwiderstand auf.“ Allerdings vertragen Schlauchreifen bauartbedingt einen höheren Druck, so dass der Abstand in der Praxis nicht ganz so gravierend ausfällt.

Mit den im Mountainbike-Bereich zunehmend beliebten Tubeless-Systemen steht inzwischen aber auch dem Rennradler eine Reifentechnologie zur Verfügung, die Pannensicherheit, geringes Gewicht, Fahrkomfort und Leichtlauf miteinander verbindet.
Bei Schlauchlosreifen gibt es keine Reibung zwischen Mantel und Schlauch, dadurch ist der Rollwiderstand auch bei niedrigem Luftdruck gering. Zudem verschließt ein Dichtmittel Löcher und Risse schnell und sicher. Den beim Faltreifen gefürchteten Reifenplatzer mit schlagartigem Luftverlust, etwa bei einer Überhitzung der Felgen durch Dauerbremsen, gibt es beim Schlauchlosreifen nicht. Ein ähnlicher Katastrophenfall beim Schlauchreifen – wird die Felge zu heiß, kann sich der Kleber lösen und der Reifen springt von der Felge – ist ebenso ausgeschlossen.
Warum sieht man also kaum Tubeless-bereifte Fahrer bei den großen Radrennen? „Leider scheitert es meistens noch an den Laufrädern“, erklärt Felix Schäfermeier, der beim Reifenhersteller Schwalbe für den Race-Support zuständig ist. Denn damit der Reifen luftdicht auf der Felge sitzt, muss diese besonders geformt sein.
„Das Team IAM Cycling hat mit seinem Laufradausrüster jedoch die Möglichkeit, Tubeless zu fahren, und nach erfolgreichen Tests im Winter haben sie das System bei der Tour Down Under erstmals im Rennen eingesetzt“, freut sich Schäfermeier. „Die Fahrer waren so begeistert, dass dann auch bei Paris-Roubaix zwei Fahrer Tubeless gefahren sind – darunter Martin Elmiger, der den fünften Platz belegt hat.“ Und beim Giro d“Italia sind ebenfalls IAM-Fahrer mit Schlauchlosreifen unterwegs gewesen. Erobern die innovativen Reifen also diesen Sommer die Tour de France? Wer auf einer der Etappen vor Ort ist, kann sich selbst davon überzeugen.

Bildquelle: www.haibike.de / pd-f / Stratmann

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